Home Office und digitale Konferenzen aber auch die Analyse und Auswertung von Daten zu COVID-19 tragen aktuell maßgeblich zum Erfolg der Volkswirtschaft bei. Die Corona-Pandemie hat einmal mehr verdeutlicht, welchen hohen Stellenwert verlässliche digitale Infrastrukturen für die Gesellschaft haben. Die konkreten Effekte der Pandemie auf die Digitalwirtschaft erörtere der 2. GDA Net[t]work Talk am vergangenen Freitag, moderiert von GDA-Vorstand Prof. Dr. Peter Radgen.

Prof. Dr. Peter Radgen (unten) im Gespräch mit Dirk Turek, Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch und Jens Peter Müller (oben v.l.n.r.)

Wie die Jahrhundertpandemie die Digitalwirtschaft beeinflusst

Während die spanische Grippe die letzte Pandemie war, der sich Europa konfrontiert sah, sammelte Keppel Data Centres als asiatischer Colocation-Anbieter bereits Anfang des 21. Jahrhunderts Erfahrungen mit der Epidemie-Bekämpfung. Jens Peter Müller, GDA-Vorstand und Deutschland-Chef bei Keppel Data Centres, erläuterte den Umgang mit der Pandemie an den Standorten in Deutschland und Asien.

Aus der Erfahrung mit der Vogelgrippe in 2002 reagierte das Management in Singapur sehr früh mit stringenten Maßnahmen auf das Pandemiegeschehen um das Aufrechterhalten des Betriebs an seinen 25 Standorten weltweit zu gewährleisten: der Health- & Safety-Plan stattete alle Standorte bereits im Januar 2020 mit zwei Monatsvorräten an Hygienematerial aus, realisierte eine Verkürzung der Reinigungszyklen und die Schichtaufteilung zur Kontakt-Reduzierung. Auch der Business Continuity Plan, der meist „ganz hinten in der Schreibtisch-Schublade schlummert“, wurde von der Singapurer Zentrale bereits im Februar 2020 aktiviert.

Viele Vorgaben des asiatischen Headquarters waren jedoch an den nationalen Rechtsraum anzupassen. Das „Dokumentieren einer ‚Fieberkurve‘ der Mitarbeiter und das Weiterleiten an die HR-Abteilung ist in Deutschland schlichtweg undenkbar“, illustrierte Jens Peter Müller die unterschiedlichen Auffassungen und Rechtsgrundlagen zu Datenschutz und Arbeitsrecht.

Positiv zu bewerten sei in jedem Fall die Anerkennung der Politik, die den Rechenzentren durch die Pandemie zuteil wurde: „Es war ein Leichtes, Mitarbeiter von Rechenzentren als Teil kritischer Infrastrukturen in den Impfplänen unterzubringen und bei drohenden Ausgangssperren Passierscheine für sie zu erwirken“, betonte Müller.

Per se seien Datacenter auf einem hohen Stand der Digitalisierung und Automatisierung, Home Office und Videokonferenzen als wichtige Maßnahme zur Kontaktvermeidung konnten rapide umgesetzt werden – doch: „vieles kann remote erledigt werden, eine kritische Wartung beispielsweise jedoch nicht.“ Durch die Auflagen zur Kontaktvermeidung wurden die Arbeitskräfte allerdings deutlich für eine effiziente Nutzung der beschränkten Arbeitszeit vor Ort sensibilisiert.

Für einen Anstieg der Home Office-Tätigkeiten auch nach der Pandemie sprechen die Daten der Umfrage unter Rechenzentrumbetreibern der Universität Stuttgart. Dirk Turek, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, stellte die Ergebnisse auszugsweise vor. Die befragten Datacenterbetreiber prognostizierten einen Anstieg der Mitarbeiter im Home Office auf 50% nach der Pandemie – gegenüber 10% in der Zeit vor der Pandemie und 85% während des Befragungszeitraums (Juni bis Oktober 2020). Ähnliche Ergebnisse gebe es auch bei Befragungen in anderen Branchen.

Als Effekt der Pandemie auf die digitale Infrastruktur, der sich logisch aus steigender Nachfrage ergibt, nennt Turek den Anstieg des Traffics: „72% der Befragten verzeichneten ein allgemeines Wachstum der Datenmengen, 13% gaben sogar ein Verdopplung des Traffics an.“

Die genannten expliziten Maßnahmen im Datacenterbetrieb decken sich mit den Beschreibungen von Jens Peter Müller: die Betreiber verkürzten vor allem die Reinigungszyklen und beschränkten den Zutritt für Externe, Kunden und Servicetechniker. 62% der Befragten gaben an, über Übernachtungsmöglichkeiten zu verfügen, sodass es auch im Fall eines härteren Lockdowns möglich gewesen wäre, den Datacenter-Betrieb aufrecht zu erhalten.

Zwar erwarten 81% der befragten Datacenterbetreiber künftig ein Wachstum des Marktes, jedoch sehen sie diese Entwicklung nicht als direkten Effekt der Pandemie: „Die allgemeine Ansicht, dass es aufgrund der Pandemie zu einem uneingeschränkt positiven Marktwachstum für Rechenzentren kommt, wurde durch die Befragten nicht komplett bestätigt,“ schloss Dirk Turek seine Ausführungen: „der mehrheitliche Anteil sieht dennoch positive Marktwachstums-Effekte.“

Einen exklusiven Impuls dazu, wie es durch digitale Infrastruktur gelingt, auf Herausforderungen unserer Zeit souverän zu reagieren, gab Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch. Der Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Informatik der FAU Erlangen-Nürnberg erläuterte die Entwicklung der COVID-19 Data Exchange Platform (kurz: CODEX).

Aufbauend auf der Arbeit der Medizininformatik-Initiative (MII) gelang es den Experten in 2020 mit CODEX eine bundesweit einheitliche, datenschutzkonforme Infrastruktur zur Speicherung und Bereitstellung von COVID‐19 Forschungsdatensätzen zu etablieren. Neben einer zentralen Datenbank wurden dezentrale Datenerfassungsinstrumente und Forschungsdatenrepositories an den Standorten der Universitätskliniken etabliert. Durch CODEX können neue Erkenntnisse zum Verständnis und zur Behandlung der Krankheit gewonnen werden.

Abschließend wies Prof. Dr. Radgen auf den nächsten GDA Net[t]work Talk hin, der sich dem Thema Nachhaltigkeit widmen wird. Insbesondere wird es um die Fragestellung gehen, wie sich das EU-Ziels der CO2-Neutralität für alle Rechenzentren bis 2030 realisieren lässt und was das für den Markt in Deutschland bedeutet. Insofern es die Inzidenzwerte erlauben, wird der Talk am 30. September 2021 als Präsenzveranstaltung im Raum Frankfurt stattfinden.

 


 

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